Kuranstalt Schöneck

Wo die Wasser sprudeln
1931 Konkurs Eröffnung Kuranstalt Schöneck AG – Emmetten

      
Kuranstalt Schöneck (A. d’Aujourd’hui & Weidmann, um 1880)

Kuren und Geniessen: Die Wasserheilanstalt Schöneck bei Emmetten

Schon als 1868 der spätere SeelisbergerHotelkönig Michael Truttmann, der das dortige Grandhotel Sonnenberg in den Folgejahren zu einer international bekannten Sommerfrische aufbauen sollte, die Kuranstalt Schöneck im nahen Emmetten als zweiten Hotelstandort erwarb,
konnte diese ein rudimentäres Angebot für Kurtouristen vorweisen. Ihr Erbauer Christian Kuhn-Munziger hatte 1863 nicht nur ein Gasthaus mit 40 Zimmern und 56 Gästebetten eröffnet, sondern auch ein Nebengebäude mit drei Badezimmern. Den neben dem Hotel fliessenden
Wildbach nutzte manfür kalte Duschen und eine Quelle auf dem Hotelgelände für Trinkkuren. Zum Kurangebot gehörten auch Trinkkuren mit Ziegenmilch und Molke sowie Molkenbäder zur Behandlung von Verdauungs, Blut und Lungenkrankheiten.
Truttmann erkannte die Chancen des Bade und Kurgeschäfts und erweiterte das Angebot der Schöneck, um aus ihr eine renommierte Wasserheilanstalt zu machen. Dabei konnte er auf die Erfahrung seiner Frau Lina Borsinger zählen, deren Eltern im Thermalort Baden ein Badehotel betrieben. Truttmann reagierte damit auf einen allgemeinen Trend der damaligen Zeit. In ganz Europa stieg die Zahl derjenigen, die unter den Nebenwirkungen von Industrialisierung und Verstädterung litten. Atemwegserkrankungen, Schwindsucht und Blutarmut, aber auch Hysterie und Zirkulationsstörungen waren auf dem Vormarsch. Wer es sich leisten konnte, versuchte seine körperlichen Beschwerden in den Luft und Kuranstalten zu mildern, die nun in grosser Zahl in den Alpen und Voralpen entstanden, wo man auf die Heilkraft des Quellwassers und der
frischen Alpenluft zählte. Bereits zwei Jahre nach dem Erwerb der Kuranstalt fügte Truttmann 1870 dem bisherigen Komplex ein drittes Gebäude hinzu, das nebst 50 zusätzlichen Gästezimmern auch
Duschanlagen sowie Schwitz- und Badezimmer umfasste. Oder wie es im Hotelprospekt von 1871 angepriesen wurde: «22 geräumige Localitäten für kalte und warme Bassins-undWannenbäder, Voll- und Wellenbäder, warmen Dampf-und Luftbädern in Form von Dampfkasten- und römisch-
irischen Bädern, Inhalations- und Electricirzimmer und eine 180 Fuss lange vor jeder Witterung geschützte Wandelbahn mit Trinkhalle».Besonders exklusiv war dabei eine Luftkammer mit Überdruck, von der man sich Heilung für Lungenkranke versprach:«Es ist diese Anstalt bisher
die einzige in der Schweiz, die sich die Verwerthung dercomprimirten Luft zu Heilzwecken zur Aufgabe gemacht hat.» In den 1880er- Jahren installierte man neueste pneumatische Apparaturen zur Behandlung von
chronischen Erkrankungen der Atemwege; in den 1890er-Jahren folgten Kohlesäurebäder zur Beruhigung der Nerven sowie Solbäder mit Rheinfelder Lauge. In sogenannt «ElektrischenBädern»
setzte man Patienten im Badewasser einem schwachen Wechselstrom aus, um damit Hysterie und Schlaflosigkeit zu behandeln. Massagen durch Vibrationsmaschinen und Masseure vervollständigten das Angebot.
Nebst Trink- und Badekuren galt zu dieser Zeit auch das Spazieren als obligatorisches Element eines Kuraufenthalts. In den 1870er- und 1880er-Jahren legte man deshalb auf Schöneck eine grosszüg
ige Parkanlage mit Parkbänken, Pavillons und Spazierwegen an. Dazu gehörte auch ein Philosophenweg, der durch den Wald zum Wasserfall in der Risletenschlucht führte. EinHotelprospekt von 1897 empfiehlt den Kurgästen eine Wanderung entlang dieses Weges. Er führe «in angenehmer Abwechslung bald über Wiesen, bald durch duftende Tannen- und
Buchenwälder. Malerisch entfaltet sich an den Lichtungen die Fernsicht über den See undüberall laden schattige Plätzchen zur Ruhe ein. Etwa 15 Minuten von der Anstalt liegt ein 1890 errichteter Schutzpavillon.
Nach etwa ½ Stunde lenkt der Weg in dichten Wald ein, wildesGetöse tönt dem Wanderer entgegen; plötzlich lichten sich die Bäume und man steht am Rand eines jäh abfallenden Felsens. Tief unten tost der Tschäderibach, der sich hier durch die Felsenkluft den Weg zum See hinaus bahnt.
In schwindelnder Höhe zieht nun dereingesprengte sichere Felspfad ¼ Stunde lang durch die romantische Schlucht und tritt bei derSäge in Emmetten wieder auf die Fahrstrasse, die nach Schöneck zurückleitet.»
Um eine optimale Wirkung der Kur zu erzielen, empfahl man den Kurgästen, auf grössere Ausflüge mit Schiff oder Wagen und auf das Tanzen zu verzichten und begründete dies wie folgt:«Es kann da freilich nicht ausbleiben, dass so manchen an Zerstreuung aller Art
gewohnten Kurgästen der Aufenthalt in der Anstalt langweilig wird; die meisten sind aber vernünftig genug einzusehen, dass für sie gerade diese Langeweile, dieses Fernhalten der gewohnten Zerstreuung und Aufregung in hohem Grade heilsam sei, und erlernen bald, sich mit
dem Anblicke der herrlichen landschaftlichen Bilder, der Unterhaltung mit anderen und einer guten Lektüre zu begnügen. […] Je freier ein Geist von allen Sorgen des täglichen Lebens, je heiterer die Stimmung, desto eherstellt der gewünschte Erfolg sich ein.»
Dieser sollte beieinfachen Beschwerden nach drei bis vier Wochen eintreffen, bei komplexeren Fällen waren sechs bis acht Kurwochen nötig. Nicht nur die medizinische Infrastruktur war stets auf dem neuesten Stand.
Seit Beginn der 1870er- Jahre waren alle drei Hotelgebäude mit einem elektrischen Läutwerk untereinander verbunden und verfügten über eine Telegrafenverbindung zu Truttmanns zweitem Hotelbetrieb
auf Seelisberg. 1883 liess Carl Borsinger, Michael TruttmannsSchwager und seit 1872 sein Nachfolger als Besitzer der Kuranstalt Schöneck, im Haupthaus elektrische Beleuchtunginstallieren, später folgten
die Nebengebäude und Bogenlampen im Hof. Der Strom kam vomhoteleigenen Elektrizitätswerk auf Rütenen, das Borsinger zum Pionier der Innerschweizer Stromerzeugung machte. Der Strom ermöglichte 1889 auch die Inbetriebnahme eines neuenWaschhauses mit Dampfbetrieb. Wie sehr die Hotelbetriebe ihrer Zeit voraus waren, zeigt derVergleich mit der Elektrifizierung des Dorfs Emmetten, das erst 30 Jahre später
vom Elektrizitätswerk Altdorf mit Strom versorgt wurde!1891 verfügte die Kuranstalt Schöneck über 152 Gästezimmer und stand damit hinter denHotels auf dem Bürgenstock an der Spitze der NidwaldnerHotelindustrie.
Kurz vor dem ErstenWeltkrieg umfasste der Personalbestand bis zu 60 Mitarbeitende. Nebst dem medizinischem Personal mit Ärzten, Masseuren, Baderinnen und Apothekern sowie Küchenpersonal und
Zimmermädchen beschäftigte man Angestellte in der Wäscherei, ein Postfräulein, ein Liftfräulein zur Bedienung des mit Wasserkraft funktionierenden Hotellifts, eine Näherin und
Schneiderin, mehrere Kutscher und Knechte für den landwirtschaftlichen Bereich sowie sechs Gärtner zur Pflege der grosszügigen Parkanlage.Die Krise setzte wie in vielen grossen Hotelbetrieben
der Zentralschweiz auch in der KuranstaltSchöneck mit dem Ersten Weltkrieg ein, als die Bettenauslastung auf 10-30 Prozent
zusammensackte. Obwohl man in der Zwischenkriegszeit auf die neuen Ansprüche der Gäste bezüglich Komfort und Unterhaltung reagierte und die Hotelzimmer mit fliessend Wasser versah, erreichte man nicht mehr annähernd die Auslastungszahlen der Belle Epoque, so dass
die Kuranstalt 1931 Konkurs anmelden musste. Nachdem sie noch während Jahrzehnten von der katholischen Immensee-Mission als Seminarort genutzt worden waren, wurden die Gebäude der Kuranstalt 1983 abgebrochen.Kuranstalt Schöneck am Vierwaldstättersee.

Literatur

Thomas Kurt Zimmermann: Kuranstalt Schöneck, Vierwaldstättersee / Schweiz. Vom Kurhaus zum Missionsseminar. Buochs 1999

Autorin: Erika Flückiger Strebel, 2015